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Einkaufsbummel in der Stadt ante mortem?
26. Jan 2024
Mal ganz nüchtern festgestellt: Die Zeiten haben sich schon immer gewandelt – früher oder später. Dass aber der Begriff des Zeitenwandels heutzutage schier inflationär um sich zu greifen scheint, mag an der Vielzahl betroffener Lebensbereiche liegen und ebenso dem rasanten Tempo geschuldet sein.
Historisch gesehen wurden Pferdedroschken eines Tages nicht mehr benötigt und auch Laternenanzünder waren irgendwann gut beraten, sich beruflich umzuorientieren. Jüngere Beispiele für kollabierende Märkte sind die analoge Fotografie oder Videotheken. Es braucht außerdem nicht viel Phantasie, den Eco-Systemen um Verbrennungsmotor oder Briefpost düstere Zeiten vorherzusagen.
Das muss sprichwörtlich kein Beinbruch sein, wenn man es frühzeitig erkennt und sich darauf einstellt. Marktfähigkeiten und -chancen von Produkten und Dienstleistungen zu eruieren, gehört insofern zu den grundlegenden Aufgaben im Marketing. Leider erkennen gerade die Betroffenen selbst oft zu spät, dass die Zeit für etwas vorbei ist. Die einen wollen es nicht wahrhaben, die anderen suchen die Schuld bei anderen und versuchen, das Blatt zu wenden. Alles wird getan, solange nur die bewährten Geschäftsmodelle und eingeschliffenen Prozesse nicht radikal verändert werden müssen.
Ähnlich angezählt scheint sich der stationäre Einzelhandel im Strudel des Zeitenwandels zu befinden; lediglich der Lebensmittelmarkt hält dabei die Nase noch über der Wasserlinie. Das mag vordergründig daran liegen, dass die Innenstädte immer unattraktiver geworden sind, die „bösen Kunden“ zunehmend lieber online einkaufen und sowieso der Corona-bedingte Shutdown und die steigenden Energiekosten samt Inflation an allem schuld sind.
Aber ist es wirklich noch zeitgemäß, wenn ein Händler nach seinem Gusto den Warenkorb deutlich begrenzt und man zu eingeschränkten Zeiten mühsam dort hinreisen muss? Und um nur ein Beispiel zu nennen: Sind vor Ort gekaufte Schuhe und Kleider, die schon mehrere Leute zuvor anprobiert hatten, nicht per se B-Ware, die zum vollen Preis verkauft wird – und zwar inklusive einer Marge, die je nach Produkt und Ort durchschnittlich irgendwo zwischen 40 und 50 Prozent liegt?
Die gleichen Hersteller, die vor Jahrzehnten erkannt haben, dass sie mehr verdienen, wenn sie im Billiglohnland produzieren (lassen), haben derweil ausgerechnet, dass der Direktvertrieb über den eigenen E-Shop oder Werksverkäufe selbst dann ertragreicher sind, wenn sie den Endkunden großzügige Rabatte einräumen. Kunststück, wenn sie die Einzelhandelsmarge und lokalen Vertriebsorganisationen von vorneherein einsparen.
In Szenarien wie diesen wird es für Ladengeschäfte immer schwerer, sich im Kampf um konsumwillige Endkunden zu behaupten. Rezepte gibt es indes viele: noch Service-orientierter auftreten, Nachhaltigkeit und Regionalität betonen, auf Einkauf als Erlebnis und hybriden Einzelhandel setzen. Städteplanerische Ansätze wie die 15-Minuten-Stadt können dem stationären Einzelhandel flankierend helfen, sich neu zu erfinden – oder kreative Konzepte wie Pop-up-Stores und dynamische Bepreisungen, wie man es von der Tankstelle kennt.
Ob und wann schlussendlich das klassische Ladengeschäft das Schicksal öffentlicher Wannenbäder oder Telegrammstationen teilt, kann jedoch nur die Zeit erweisen.
Teil 1: Ich hätt‘ da mal eine Frage …
31. Okt. 2023
Kampf dem Treibhausgas – nichts geht mehr beim Verbrenner. Und die Zeit rennt. Drum wohl werden auch schon mal restriktive Entscheidungen getroffen, noch bevor belastbare alternative Lösungen vorliegen. Okay, das ist alles ja trotzdem irgendwo nachzuvollziehen.
Aber warum dürfen noch immer luftverschmutzende und umweltbelastende Motorsport-Veranstaltungen stattfinden? Denn ob Formel-Rennen auf asphaltierte Strecke oder gar Rallyes auf Feld- und Waldwegen: Motorsport und Klimaschutz passen nicht zusammen.
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Ohne Frage keine Antwort. Selbst wenn jedoch in schnelllebigen Zeiten die Publikationsflut unsere Aufmerksamkeit schier verschlingt, fragt man sich hier und dort: Warum stellt niemand diese Frage? Die kleine Serie „Question worth asking“ holt dies nach.
Geht’s noch? Über das ungefragte Geduztwerden
29. Okt. 2020
Gefühlt fing alles mit IKEA an: Die haben sich einfach rausgenommen, uns frech zu duzen. Okay, was soll’s – Schweden halt, die werfen schließlich auch Christbäume aus dem Fenster. Auch alle möglichen TelKo-Anbieter scheinen dann ganz generell irgendwann einmal mit jedem die Kellertreppe heruntergefallen zu sein – aber die machen ja eh, was sie wollen. Das Du ist offensichtlich sowieso Amtssprache für Customer Areas von Webseiten und in den sozialen Medien – wen wundert’s in einer virtuellen Welt, in der selbst flüchtige Kontakte „Freunde“ heißen.
Aber irgendwann sind die Dämme wohl gänzlich gebrochen und das respektvolle Sie ist endgültig zum verstaubten Relikt früherer Tage degeneriert. Stattdessen erreichen uns etwa Anschreiben per Briefpost und E-Mail, ob nun B-to-B oder B-to-C, von Leuten ohne Familiennamen, die auch unsere Nachnamen allenfalls noch zur Rechnungsstellung benötigen. Und das Werbedeutsch scheint generell nur mehr persönliche Anredepronomen zu kennen, eine höflich-distanziertere Anrede hingegen wird zur Ausnahme.
Warum bewahren wir nicht unsere Sprachkultur? Reicht es nicht, dass Jugendliche im Rapper-Slang und in Bruchstück-Sprache daherreden? Treiben die irren Experimente der „gendergerechten“ Sprache nicht schon genug Stilblüten? Müssen wir uns jetzt also allmählich auch von der sinnvollen Abgrenzung von privater und distanzierter Anrede verabschieden und uns weiter dem vergleichsweise armen anglo-amerikanischen Sprachgebrauch anpassen?
Bitte nicht! Sonst böte allenfalls ein Berufswechsel Abhilfe. Einen Polizisten zu duzen, kann nämlich als Beleidigung eingestuft und nach § 185 StGB geahndet werden. Voll-konn-greed, Alda!
Quatsch mit Romasoße
21. August 2020
Political Correctness vermag alles zu schlagen, selbst den hehren Menschenverstand. Das ist etwa so wie beim „Jüdischen Poker“ in der gleichnamigen Satire Ephraim Kishons, wo Jossele erfahren muss, dass Ben Gurion alles schlägt – sogar Ultimo!
Nur so lässt sich erklären, dass es kaum einen gesellschaftlichen Diskurs gibt darüber, welche gewachsenen Begriffe unseres Sprachguts diskriminierend wirken und welche eher nur im Kontext verunglimpfen. Stattdessen positionieren sich vermeintliche Vertreter und Fürsprecher von Betroffenen, um sie vor sprachlicher Benachteiligung oder Herabwürdigung zu bewahren.
Es geht um Begriffe aus dem täglichen Sprachgebrauch unserer Eltern und Großeltern: Mohrenkopf (Schokokuss), Zwerg (Kleinwüchsiger), Ausländer (Mensch mit Migrationshintergrund), Putzfrau (Raumpflegerin) oder auch behindertengerecht (barrierefrei).
Aber wo sind die Grenzen dieser fragwürdigen Moral und war es nicht schon immer eher der Ton, der die Musik macht? So sehen das oft auch die Betroffenen selbst – wenn man sie denn fragt. Letztlich sind es sowieso ganz andere Dinge als die nach ihnen benannten Zigeunerschnitzel und -Soßen, die Sinti und Roma verunglimpfen.
Nicht viel anders verhält es sich mit den Blüten des Genderismus, wo kaum mehr jemand zwischen grammatischem Geschlecht (Genus) und natürlichem Geschlecht (Sexus) unterscheiden mag. Gebetsmühlenartig werden uns demzufolge immer kompliziertere Satzkonstruktionen dargeboten, die das Zuhören und Lesen erschweren. Und wer sich dem verweigert und sich auf die Ratio beruft, gerät schnell unter sexistischen Generalverdacht.
Aber vielleicht wäre ja „Zigeuner*innen-Soße“ ein Kompromiss gewesen? Wie war das nochmal? Ben Gurion schlägt alles – sogar Ultimo.
Produktmarketing jenseits von Verantwortlichkeit
3. Juni 2020
Wir alle wissen längst um die Gefahr für Kleinkinder, die Haushaltsreiniger mit Lebensmitteln verwechseln. Leider kommt das noch immer viel zu oft vor. Das Deutsche Kuratorium für Sicherheit in Heim und Freizeit e. V. aus Hamburg konstatiert gar, dass Haushaltschemikalien neben Arzneimitteln zu den Produkten gehören, die Kleinkinder am häufigsten aufspüren und probieren.
Warum also müssen gefährliche Produkte wie WC-Reiniger nicht nur Lebensmitteln ähneln, sondern zudem auch noch Kinder ansprechen? Gibt es etwa psychologische Erkenntnisse, dass vermeintlich „leckere“ WC-Tabs eher gekauft werden? Honi soit qui mal y pense!
Wie ungeheuer leichtsinnig das perfide Produktdesign von Herstellern gefährlicher Substanzen sein kann, zeigt ein Blick in den Lebensmitteleinzelhandel. Auch dort ist mithin Denken schon mal Glückssache, wenn es ums Bestücken der Auslagen geht: Quietschbunte Bonbons und direkt darunter WC-Duftspüler, deren irrtümlicher Verzehr mindestens zu Schleimhautreizendungen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall führen kann.
Wie aber bitteschön sollen die Kleinsten noch zwischen „gut“ und „böse“ unterscheiden können, wenn die Artikel sich gleichen wie ein Ei dem anderen? Die Aufdrucke lesen oder grafische Warnhinweise interpretieren? Fehlanzeige.
Nach eigener Darstellung übrigens setzt WC-Enten-Erfinder Henkel auf Nachhaltigkeit und will seine Geschäfte wirtschaftlich, aber auch verantwortungsvoll weiterentwickeln. Aber passt dies wirklich mit dem Vorbeschriebenen zusammen?
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