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Eine Erwerbstätigkeit sichert den Lebensunterhalt, gibt Struktur und Selbstwertgefühl. Daher hat der Bund über das Teilhabechancengesetz die Basis für staatliche Förderungen geschaffen, um Langzeitarbeitslosen zurück in die Arbeitswelt zu helfen. Die Stadt Pirmasens hat über das Bundesprogramm schon 53 Personen beschäftigt und zehn von ihnen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, darunter zwei in eine Berufsausbildung.
Dominic Gerlach ist einer von ihnen: Der 37-Jährige Pirmasenser hat seine Ausbildung zum Gärtner der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau (GaLa-Bau) bei der Stadtgärtnerei erfolgreich absolviert und arbeitet seither dort auch weiterhin als gelernter Landschaftsgärtner.
(Lohnender) Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit
Manchmal geht’s einfach nicht weiter auf dem Weg in der Berufswelt. Dabei sind die Gründe zu straucheln vielschichtig und liegen oft nicht in eigener Hand. Stets gilt jedoch: Je länger man ohne Erwerbstätigkeit bleibt, desto schwerer fällt der Wiedereinstieg und Arbeitslosigkeits-„Karrieren“ drohen. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber zum Jahresbeginn 2019 das Teilhabechancengesetz (THCG) gemäß § 16 i SGB II verabschiedet und die geltende Eingliederungsförderung erweitert. Demnach müssen insbesondere die zugleich höher geförderten Arbeitsplätze nicht mehr wettbewerbsneutral und gemeinnützig sein.
„Wir wissen: Die Perspektiven und Chancen für Langzeitarbeitslose wirken sich immer auch auf die Zukunftschancen ihrer Kinder aus. Für uns als Stadtverwaltung ist gerade deshalb die Motivation umso höher, die sich bietenden Möglichkeiten aus dem Teilhabechancengesetz zu nutzen und sozusagen einen kleinen 3. Arbeitsmarkt aufzubauen“, erklärt Markus Zwick, Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens. Dieser 3. Arbeitsmarkt zielt laut Definition darauf ab, vom 1. Arbeitsmarkt ausgegrenzten Langzeitarbeitslosen mit geförderten Beschäftigungsverhältnissen neue Perspektiven im Beschäftigungssystem zu eröffnen. „Es ist ohnehin nicht hinnehmbar und wäre wirtschaftlich unvernünftig, die Arbeitskraft gesunder erwachsener Menschen ungenutzt zu lassen. Insofern möchten wir auch mit gutem Beispiel vorangehen für Unternehmen und zeigen, dass sich der Rückweg ins Beschäftigungsleben für beide Seiten lohnt – für Arbeitskräfte ebenso wie für die in Vorleistung tretenden Arbeitgeber“, so das Stadtoberhaupt weiter.
Seit Inkrafttreten des THCG hat die Pirmasenser Stadtverwaltung schon 53 Menschen eine entsprechende Brücke zurück ins Berufsleben gebaut. Eine neue Beschäftigung haben sie u. a. in der Registratur und im Stadtarchiv gefunden, als Hausmeistergehilfen und Reinigungskräfte im Gebäudemanagement, als Arbeitskräfte im Garten- und Friedhofsamt oder auch in der Jugendpflege. Generell lautet das Ziel, jeden in den 1. Arbeitsmarkt zu vermitteln, um dort einer langfristigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen zu können. In zehn Fällen ist dies bereits geschehen – daraus sogar zwei Berufsausbildungen –, 21 weitere Personen sind derzeit noch über das Bundesprogramm in unterschiedlichen Maßnahmen bei der Stadtverwaltung beschäftigt.
Best Practice: Vom „Abstellgleis“ in die Berufsqualifikation
Dominic Gerlach, Jahrgang 1986, hatte mit dem Realschulabschluss in der Tasche bei einem Hotel & Gastronomie-Betrieb eine auf drei Jahre ausgelegte Kochlehre begonnen, nach wenigen Monaten aber wieder abgebrochen. Als Gründe dafür nennt der in Zweibrücker Geborene, der in Pirmasens aufgewachsen ist und lebt, sowohl die dort angetroffenen Arbeitsbedingungen als auch ungünstige persönliche Umstände. Es folgten mehrere von der Agentur für Arbeit vermittelte Ein-Euro-Jobs in der Küche, geprägt von geringer Motivation bei ihm und auch anderen Beschäftigten. Aus den parallel durchlaufenen Maßnahmen wie beispielsweise Bewerberschulen konnte er, wie er selbst sagt, keinerlei Mehrwerte ziehen. Einzig eine Zwischenstation in der Kirchbergwerkstatt, einer gemeinnützigen Einrichtung für Arbeit und Qualifizierung, vermochte ihm Freude an der Arbeit zu vermitteln.
Im Jahr 2019 dann erhielt Dominic Gerlach von der Stadtverwaltung das 16 i-Angebot, für das Garten- und Friedhofsamt in der Grünpflege tätig zu werden. „Eine Dreiviertelstelle mit normaler Bezahlung hat mich gereizt und es war sowieso Zeit für ein völlig neues Kapitel“, erinnert er sich. „Mir hat die Arbeit großen Spaß gemacht und auch das Betriebsklima war toll. Ich habe im wahrsten Sinne des Wortes meine Berufung gefunden!“ Derart motiviert bewarb sich Dominic Gerlach ein Jahr nach Antritt der neuen Stelle auf einen städtischen Ausbildungsplatz zum Landschaftsgärtner. Die Entscheidung dazu fiel ihm leicht: „Drei Jahre lang gab es zwar nur die Ausbildungsvergütung, aber mein Lebensstandard war durch die Zeit mit dem Arbeitslosengeld geprägt nicht besonders hoch – und so kam ich gut damit aus. Außerdem ist eine Ausbildung nun mal auch etwas Handfestes.“
In seiner Ausbildungszeit versuchte Dominic Gerlach, möglichst viele der ihm gebotenen Möglichkeiten zu nutzen. Dazu zählt etwa auch, im Jahr 2022 den obligatorischen Naturstein-Lehrgang nicht wie sonst üblich in der DEULA-Akademie in Bad Kreuznach zu besuchen, sondern über das EU-Programm Erasmus+ gefördert auf Kreta. Seine Ausbildung schloss er im Juli 2023 mit den Noten 1,0 im schulischen und 2,59 im praktischen Bereich ab. Die Stadtverwaltung hat ihn gern direkt übernommen – schließlich weiß man, was man an ihm hat. Sein Weg führte in die Pflegekolonne zurück, wo es das ganze Jahr über viel zu tun gibt. Mittlerweile ging es erneut nach Kreta, dieses Mal als Ausbilder-Assistent. Wie es weitergeht? „Ich werde jetzt ein paar Jahre Berufserfahrung sammeln, bevor ich mich irgendwie weiterqualifiziere – das ist wie beim Autofahren: Erst macht man den Führerschein und danach lernt man richtig zu fahren“, lautet sein Vergleich. Eine Option wäre der Gang an die Meisterschule, wie er hinterherschickt.
Zurückblickend war die Entscheidung genau die richtige: „Der Anstoß vom Arbeitsamt war für mich ein wichtiger Impuls, etwas im Positiven zu ändern. Ich bin froh und glücklich, bei der Stadt die Chance für einen Neuanfang bekommen zu haben – umso besser, dass auch noch eine Ausbildung daraus geworden ist“, resümiert Dominic Gerlach.
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Fördervoraussetzungen nach § 16 i SGB II
Im Fokus der Förderung stehen arbeitsmarktferne erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die bisher nicht integriert werden konnten. Vorrangiges Ziel ist die Eröffnung von Teilhabechancen. Die öffentlich geförderte Stelle soll die Beschäftigungsfähigkeit verbessern und Übergänge in den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen. Nach dem THCG kommen insbesondere Personen in Betracht, die erwerbsfähig und leistungsberechtigt sind, das 25. Lebensjahr vollendet haben und innerhalb der letzten 7 Jahre mindestens 6 Jahre Leistungen nach dem SGB II bezogen haben oder seit mindestens 5 Jahren Leistungen nach dem SGB II beziehen.
Gefördert werden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in Voll- oder Teilzeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, bei kommunalen Unternehmen und bei Trägern. Entsprechende Lohnkostenzuschüsse gibt es bis zu fünf Jahre lang. Sie betragen in den ersten beiden Jahren des Arbeitsverhältnisses 100 Prozent, im dritten Jahr 90 Prozent, im vierten 80 Prozent und im fünften 70 Prozent. Auch Weiterbildungskosten während des Arbeitsverhältnisses können in Höhe von bis zu 3.000 Euro übernommen werden, außerdem die Kosten einer beschäftigungsbegleitenden Betreuung (Coaching).
Hintergrund Stadtgärtnerei: Zu schaffen gibt‘s immer etwas!
Die Aufgaben in der Pirmasenser Stadtgärtnerei sind überaus breit und vielseitig. Allen bestens bekannt ist das Anlegen und Pflegen von allerlei Pflanzflächen oder die Baumpflege, zu der übrigens auch die Kronensicherung und nötigenfalls das Fällen gehören. Weit mehr als das werden ebenso Außenanlagen gestaltet, etwa Wege und Plätze gepflastert sowie Mauern, Zäune und Treppen gesetzt. Sogar das Anlegen von Teichen und Wasserläufen ist Teil des Jobs wie auch die Wartung der (Spring-)Brunnenanlagen inklusive der Pumpsysteme. Darüber hinaus beschäftigt sich das 54-köpfige Team mit der Gestaltung von Spielplätzen und deren Kontrolle. Eine Besonderheit in Pirmasens ist der regelmäßige Einsatz im Winterdienst; ohnehin helfen sich hier alle städtischen Abteilungen gegenseitig aus, wo immer das gerade geboten ist. Auch wenn sich der Aufwand übers Jahr recht gut verteilt, gibt es durchaus Spitzenlasten, beispielsweise wenn blühende Saisonflore ausgebracht werden für Frühjahr, Sommer und teils auch Herbst. Auch nach Stürmen fällt regelmäßig einiges an Aufräumarbeiten an und in äußerst trockenen Perioden muss viel bewässert werden. Spezielle Events wie Stadtjubiläen oder Rheinland-Pfalz-Tage verlangen ebenfalls einiges ab – denn gerade hier will man die Stadt mit ihren Grünflächen natürlich besonders schön gestalten.
Der Erfolg in Pirmasens lässt sich sehen
Pirmasens ist eine grüne Stadt mit attraktiven und gut gepflegten Grünflächen. Dafür gibt es viel Lob von Gästen und davon zeugen auch viele Preise. Dazu zählt beispielsweise der „Spar-Euro 2019“ für das kostensparende Grünflächen-Management: Um nämlich die aufwändige Pflege der rund 100 ha Grün-, Spiel- und Sportflächen möglichst niedrig zu halten, ohne das schöne Landschaftsbild zu trüben, wurden Maßnahmen ergriffen, die in Summe jährliche Personal- und Energiekosten von rund 100.000 Euro einsparen. Auf 2020 datiert die Verleihung des Siegels „StadtGrün naturnah“ – die Auszeichnung des Bündnisses Kommunen für biologische Vielfalt e. V. ist das Ergebnis vieler Kampagnen zu Ökologie und Vielfalt. So wachsen im innerstädtischen Bereich an zahlreichen Stellen heimische und regionale Wildgräser und Wiesenblumen, es gibt Insektenhotels, Bienenstöcke und artenreiche Magerwiesen. Zudem sind Parkanlagen, Spielplätze und Grünflächen besonders naturnah gestaltet mit Strauch- und Baumpflanzungen aus heimischen Arten. Unter dem Motto „Pirmasens zum Essen gern“ können in den Beeten und Anlagen mehrere Sorten Spalierobst, Weintrauben und Gemüse geerntet werden, rund 400 Obstbäume erlauben eine Ernte von Äpfeln, Birnen und Walnüssen. Mit dem „Goldenen Gingko“ wurde der Leiter des Garten- und Friedhofsamtes, André Jankwitz, prämiert. Damit würdigte die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft das herausragende Engagement auf dem Gebiet der Entwicklung und Gestaltung des öffentlichen Grüns – was ohne die tatkräftige Mithilfe des Teams der Stadtgärtnerei sicherlich nicht möglich gewesen wäre. Eine große Ehre für eine vergleichsweise kleine Stadt, denn damit steht André Jankwitz in einer Reihe von Preisträgern u a. aus Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Köln und Dresden.
Ergänzendes zur Stadt Pirmasens
Erste urkundliche Erwähnung fand Pirmasens um 850 als „pirminiseusna“, angelehnt an den Klostergründer Pirminius. Der als Stadtgründer geltende Landgraf Ludwig IX. errichtete im heutigen Pirmasens die Garnison für ein Grenadierregiment, es folgten 1763 die Stadtrechte. Am südwestlichen Rand des Pfälzerwalds gelegen und grenznah zu Frankreich ist das rund 42.000 Einwohner zählende rheinland-pfälzische Pirmasens wie Rom auf sieben Hügeln erbaut. In ihrer Blütezeit galt die Stadt als Zentrum der deutschen Schuhindustrie und ist in dieser Branche heute noch wichtiger Dreh- und Angelpunkt; ihren Sitz in Pirmasens haben zum Beispiel die Deutsche Schuhfachschule und das International Shoe Competence Center (ISC). Zu den tragenden Wirtschaftsbereichen zählen unter anderem chemische Industrie, Kunststofffertigung, Fördertechnik-Anlagen und Maschinenbau. Pirmasens positioniert sich heute als Einkaufsstadt mit touristischem Anspruch und gut ausgestattetem Messegelände. Seit 1965 wird eine Städtepartnerschaft mit dem französischen Poissy gepflegt. Weitere Informationen unter www.pirmasens.de.
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