Der Beispiele gibt es viele, so etwa der Ausstieg aus der Atomindustrie nach Fukushima oder die Revitalisierung der Bundeswehr per Sondervermögen kurz vor ihrem (bis dato in Kauf genommenen) Niedergang: Hierzulande scheint es gang und gäbe zu sein, sprichwörtlich den Brunnen erst zuzudecken, wenn das Kind ertrunken ist.
Zu den weiteren Gepflogenheiten gehört es, sich ungeachtet der Bedeutung tendenziell mehr auf die oberflächlich erkennbaren Dinge zu fokussieren. So besorgen uns Falten und Geheimratsecken meist mehr als Atherosklerose und Hypertonie.
Im übertragenen Sinne bedeutet das für unsere Infrastruktur, dass wir Straßen und Gleise im Blick haben, gleichzeitig aber riesige Sanierungsstaus bei den Wasserstraßen vor uns herschieben: Rund die Hälfte der deutschen Stahlbauwerke, Brücken, Schleusen- und Wehranlagen wurden vor 1950 gebaut. Braucht’s auch hier erst Brückenhavarien und vom Hochwasser gebeutelte Städte, um die Priorisierung neu auszurichten?
Nicht minder sträflich einzuschätzen ist die Abwasserbeseitigung. So schlummert in den kommunalen Erdreichen so manche Zeitbombe. Gemeint sind damit nicht etwa Blindgänger, sondern uralte Abwasserkanäle. Deren Haltbarkeit bemisst sich je nach verwendetem Material wie Steinzeug, Stahlbeton, Beton oder Kunststoff. Nicht wenig davon wurde in der Kaiserzeit verlegt und ein Großteil des Entwässerungsnetzes entstand landauf, landab über den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die kritische Nutzungsdauer der Kanäle jedoch wird angesichts knapper Kassen geflissentlich ignoriert. Aus dem Auge ‒ aus dem Sinn auch hier? Na klar, denn nur wenn bei einer Verstopfung etwas nicht mehr abfließt, wird man unangenehm an das weitverzweigte Kanalsystem unter uns erinnert. Schadensereignisse wie diese nennt man Infiltration. Durch marode Kanäle kommt es aber auch zur Exfiltration, wenn nämlich austretendes Abwasser unser Grundwasser verunreinigt.
Bleibt die Hoffnung, dass wir es hier wie dort lernen, vorausschauender statt erst getrieben von bereits eingetretenen Schadensereignissen zu planen ‒ und zu handeln.