- Betont ganzheitlich angelegtes Schulprojekt lässt Schülerinnen und Schüler fachübergreifend kreative Produkte entwerfen, planen, handwerklich herstellen und vermarkten
- Klassenverbände aus Berufsvorbereitungsjahr und Berufsfachschule 1 sammeln in ihrer Schülerfirma wertvolle Erfahrungen in der realen Wirtschaftswelt – Projektbezogene Verzahnung von theoretischem und fachpraktischem Unterricht
- BBS-Kreativ-Team erzielt großen Anklang bei Präsentationen auf dem Pirmasenser Novembermarkt ‘23 im Weinzelt auf dem Schloßplatz und in der Fußgängerzone
Pirmasens, 13. November 2023. Echte Hingucker – äußerst phantasievoll gestaltet und handwerklich perfekt ausgearbeitet: Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Pirmasens (BBS) haben auf dem Novembermarkt ’23 die Produktpalette ihrer Schülerfirma BBS Kreativ vorgestellt und damit einmal mehr großen Anklang erzielt. Zum Verkauf bietet das langjährig etablierte Schulprojekt sowohl saisonbedingte Dekoartikel wie Kerzenständer und Adventsleisten an als auch die verschiedensten Großobjekte aus Holz und Metall wie beispielsweise Weinständer, Lampenstelen, Sitzmöbel, Relax-Liegen, Hollywood-Schaukeln und Strandkörbe, Hochbeete und Grills und Feuerkörbe. Allen Kreativprodukten gemein ist: Sie fußen auf eigenen Ideen, sind aus einer Hand selbst entworfen, geplant, kalkuliert und gefertigt. Wie im echten Wirtschaftsbetrieb gehören ebenso Marketing und Vertrieb zum ganzheitlichen Spektrum der Schülerfirma.
Fachpraktischer Unterricht steht in den BBS-Klassen des Berufsvorbereitungsjahrs (BVJ) und der Berufsfachschule 1 (BF 1) ohnehin auf dem Stundenplan. Warum nicht aus einzelnen Modulen ein pädagogisches Gesamtprojekt stricken, das die reale Wirtschaftswelt erlebbar abbildet und dabei marktfähige Produkte erzeugt? Diese Überlegung mündete 2017 in die Gründung der Schülerfirma BBS Kreativ. Daran in erster Linie regelmäßig beteiligt sind die jeweils rund 30 Schülerinnen und Schüler aus BVJ und BF 1 im Alter von 15 Jahren und älter. Aus dem Kollegium von Beginn betreut wird ihre „Herzblut“-Initiative, wie sie sie unisono nennen, von den Klassenleitern Timo Heim (BF 1), Marco Heim (BVJ) und Claus Eckerlein (Fachpraxislehrer). Initiales Produkt war eine Blumenleiste aus altem Eichenholz und Reagenzgläsern, die für das eigene Sekretariat als Einzelstück gefertigt und daraufhin vielfach nachbestellt wurde.
Handwerkliche Schulprojekte – ganzheitlich und erfolgsorientiert
Von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt gibt es klar strukturierte Anleitungen und Workflows, die bei der Umsetzung der Projekte unterstützen. So werden für die Schülerinnen und Schüler konkrete Arbeitsaufträge definiert und auf einzelne Arbeitsschritten heruntergebrochen. Dazu gehört etwa, eine Bedarfs- und Materialliste zu erstellen sowie alle benötigten Werkzeuge zu Maschinen und definieren, darunter auch verschiedene Großmaschinen zur Holz- und Metallverarbeitung. Es folgen die Kostenkalkulation von Fertigung und Montage sowie die darauf aufbauende Ermittlung eines Verkaufspreises. Auch der Vertrieb ist Bestandteil der ganzheitlichen und erfolgsorientierten Vorgehensweise. So werden beispielsweise Flyer entwickelt und die Produkte im Internet, aber auch auf Ständen von Verbrauchermessen und Märkten vor Ort präsentiert und Verkaufsgespräche geführt; die anfallenden Präsenzzeiten werden dabei weder Lehrer- noch Schüler-seitig angerechnet. Gedacht ist außerdem an eine Buchhaltung mit Verbuchen von Ausgaben und Einnahmen nebst klassischer Ermittlung von Gewinn und Verlust.
Als besonders effektiv hat sich laut BVJ-Lehrer Marco Heim das Verknüpfen des fachpraktischen Unterrichts mit dem theoretischen erwiesen. Ob etwa WiSo (Wirtschafts-/Sozial-/Gemeinschaftskunde), Mathematik und Buchführung, Deutsch und BwL, bis hin zu Religion mit der Diskussion sozialer Aspekte: Bis zu 90 Prozent aller Wochenstunden sieht er direkt eingebunden – „so ziemlich alles außer Sport. Die Schülerfirma ist nicht nur in den Unterricht integriert, sie ist der Unterricht!“
Soziale Komponente ist fest verankert
Die Kundschaft ist breit angelegt: Hierzu zählen neben dem Kollegium und der Stadtverwaltung viele lokale Unternehmen und Vereine, aber auch Einzelpersonen, die von den Produkten und der Idee dahinter begeistert sind. In ihrem Auftrag entstehen pro Schulhalbjahr um die 20 Großartikel, die bei Bedarf auch schon mal ausgeliefert und vor Ort montiert werden. Das zum Einsatz kommende Material müsste ohnehin angeschafft werden, um in den Werkstätten den Umgang mit Werkzeugen und Maschinen zu lehren. Der etwas höhere Bedarf wird durch entsprechendes Engagement gedeckt, wenn etwa gespendete Abrisshütten demontiert und abtransportiert oder entsprechende Angebote aus Kleinanzeigen wahrgenommen werden; aber auch Edelhölzer und -metalle kauft man teilweise zu.
Ohnehin nicht gewinnorientiert, kommt die Schülerfirma angesichts dieser überschaubaren Anzahl erst gar nicht in Verdacht, in Konkurrenz zum lokalen Handwerk zu geraten – für das Betreuerteam besonders wichtig, zumal man auf gute Kontakte zu potenziellen Ausbildungsbetrieben für ihre Schulabgänger höchsten Wert legt. Der kleine Gewinn wird hauptsächlich in die Schülerschaft rückinvestiert. Gerade sozial Schwächere profitieren nicht nur von beispielsweise aus den Erlösen leistungsbezogenen finanzierten Frühstücken und warmen Mittagessen, oft werden auch die für sie sonst nicht zu realisierenden Klassenfahrten bezahlt. Regelmäßig jedoch gehen zehn Prozent der Gewinne und die verschiedensten Sachspenden an gemeinnützige Organisationen.
Die Schülerfirma hat mehrfach Zuwendungen erhalten von u. a. von der Liselott-und-Klaus-Rheinberger-Stiftung, dem Lions Club Pirmasens, dem Rotary Club Südwestpfalz und dem Rotary Club Pirmasens. Aktuell ist geplant, das regelmäßige Schulprojekt in einen (neu zu gründenden) gemeinnützigen Verein münden zu lassen, um damit den veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen der EU-Steuergesetzgebung Rechnung zu tragen.
Pädagogisches Schulprojekt – geeignet, um selbst Schule zu machen
„Es ist wie bei einem Puzzle: Erst wenn alle Elemente ineinandergreifen, entsteht ein fertiges Bild, das – auf unsere Schülerfirma bezogen – von den Schülerinnen und Schülern leichter erkannt und verstanden werden kann, nachvollziehbar wird und sich einprägt“, so BBS-Schulleiterin Kerstin Belyea. „Wir erkennen zudem, dass sich die erfreulich hohe Resonanz auf ihr Tun stark motivierend als Erfolgserlebnis auswirkt, sie voranbringt und ihnen den anstehenden Übergang in einen Beruf erleichtert.“ Die Mitarbeit in der Schülerfirma taucht zudem als Modul in den Zeugnissen auf, in Einzelfall werden auch Zertifikate ausgestellt.
„Wir schätzen uns glücklich, mit BBS Kreativ eine vorbildliche Initiative in Pirmasens verankert zu wissen, die wie ein Steigbügel den Schülerinnen und Schülern in den berufsvorbereitenden Klassen den Einstieg in ihren Berufsalltag erleichtert“, freut sich Markus Zwick, Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens. „Besonders erwähnenswert ist hierbei der hohe persönlich Einsatz des Betreuungsteams der BBS, der eine fortwährende Umsetzung des äußerst wertvollen pädagogischen Ansatzes überhaupt erst ermöglicht.“
Für das neue große Stadtfest „Schlabbeflicker-Festival“ im August 2023 hatte die Schülerfirma eigens eine „Schuhbank“ entworfen und als Unikat zur Platzierung in der Fußgängerzone hergestellt. Ein stählerner Pump bildet hierbei den Rahmen, Sitzfläche und Rückenlehne bestehen aus Eichenholz. Auf dem gerade erst veranstalteten Novembermarkt mit begleitendem verkaufsoffenem Sonntag war das BBS-Kreativ-Team dann mit seinen Produkten sowohl im großen Weinzelt als auch im Außenbereich in der Fußgängerzone vertreten – wenige Tage später gab es auch einen Stand auf der ebenfalls in Pirmasens veranstalteten Messe für Kultur- und Kreativwirtschaft KREATIVVITTI. Die nächsten Stationen sind am ersten Adventswochenende der historische Weihnachtsmarkt im Kloster Hornbach (2./3.12.2023) sowie der Birkweiler Weinwinter am zweiten Adventswochenende (8./9./10.12.2023).
Ergänzendes zur Stadt Pirmasens
Erste urkundliche Erwähnung fand Pirmasens um 850 als „pirminiseusna“, angelehnt an den Klostergründer Pirminius. Der als Stadtgründer geltende Landgraf Ludwig IX. errichtete im heutigen Pirmasens die Garnison für ein Grenadierregiment, es folgten 1763 die Stadtrechte. Am südwestlichen Rand des Pfälzerwalds gelegen und grenznah zu Frankreich ist das rund 42.000 Einwohner zählende, rheinland-pfälzische Pirmasens wie Rom auf sieben Hügeln erbaut. In ihrer Blütezeit galt die Stadt als Zentrum der deutschen Schuhindustrie und ist in dieser Branche heute noch wichtiger Dreh- und Angelpunkt; ihren Sitz in Pirmasens haben zum Beispiel die Deutsche Schuhfachschule und das International Shoe Competence Center (ISC). Zu den tragenden Wirtschaftsbereichen zählen unter anderem chemische Industrie, Kunststofffertigung, Fördertechnik-Anlagen und Maschinenbau. Pirmasens positioniert sich heute als Einkaufsstadt mit touristischem Anspruch und gut ausgestattetem Messegelände. Seit 1965 wird eine Städtepartnerschaft mit dem französischen Poissy gepflegt. Weitere Informationen unter www.pirmasens.de.
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