- Stadt Pirmasens führt als landesweites Novum den Kita-Sozialarbeiter ein und schafft Personalunion mit dem Grundschul-Sozialarbeiter – Ganzheitliches Konzept erweist sich bereits in der Pilotphase in mehrfacher Hinsicht als äußerst vorteilhaft
- Mit niederschwelligen Beratungs- und Betreuungsleistungen früh ansetzen und so möglichst viele Kinder in die Kita bringen sowie deren Übergang und Erfolg an der Grundschule unterstützen
Pirmasens, 8. April 2022. Kinder und Jugendliche in ihrer schulischen Ausbildung und sozialen Integration nachhaltig fördern: Die Schulsozialarbeit hat sich als Instrument an weiterführenden Schulen längst etabliert und bundesweit bewährt. Bereits seit acht Jahren gibt es in Pirmasens zudem Grundschul-Sozialarbeiter. Diese hat die westpfälzische Stadt auf eigene Kosten installiert, um den Einstiegspunkt für die Unterstützung sozial benachteiligter Familien vorzuverlegen und Defiziten früher entgegenwirken zu können. Doch damit nicht genug, sollten die niederschwelligen Beratungs- und Betreuungsleistungen nach dem „Pirmasenser Modell“ noch früher ansetzen, um möglichst viele Kinder in die Kitas zu bekommen. Hier nämlich erfahren sie die wertvolle Bildung und Sozialisation, die ihren Übergang an die Grundschule erleichtern und dortigen Erfolg befördern.
Als landesweites Novum entstand im April 2021 in Personalunion der Kita- und Grundschul-Sozialarbeiter für den Einsatz in zunächst zwei ausgewählten Sozialräumen. Das richtungsweisende, durch Landesmittel geförderte Pilotprojekt wurde realisiert in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ISM) und vor dem Hintergrund des am 1. Juli 2021 in Rheinland-Pfalz in Kraft getretenen Kita-Zukunftsgesetzes (KitaZG) mit einhergehender Neuordnung des Finanzierungsrahmens nach Sozialraumbudgets.
„Die Lebensbedingungen und Zukunftschancen für Kinder und Jugendliche nachhaltig zu verbessern, gehört ungeachtet der hohen Herausforderungen zu unseren zentralen Aufgaben“, betont Markus Zwick, Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens. „Schließlich wissen wir aus Erfahrung, dass jeder einzelne gelöste soziale Problemfall meist viele andere im Umfeld der Betroffenen verhindern kann. Soziale Fehlentwicklungen dulden daher keinen Aufschub und müssen möglichst früh angegangen werden. Der Lückenschluss am Übergang zwischen Kita und Grundschule durch Erfindung des Kita- und Grundschul-Sozialarbeiters fügt sich in die pragmatische Pirmasenser Tradition ein, dort Blaupausen zu schaffen, wo es noch keine gibt.“
Niederschwellige Kommunikation auf Augenhöhe
Im Zuge des Pilotprojekts wurden in Pirmasens zwei neue Stellen für Kita-Sozialarbeiter geschaffen und besetzt. Daraufhin formierten sich in Kombination mit zwei bereits vorhandenen Grundschul-Sozialarbeitern zwei Tandems für den Einsatz in den Sozialräumen der Stadtteile Horeb und Winzler Viertel. Diese sind seither ständig in den Quartieren präsent und als Ansprechpartner verfügbar, zudem schreiten sie auch aktiv niederschwellig ein bei offenbar werdenden Problemfällen. Das Besondere daran sind die hohen Synergien. Für beide Einrichtungstypen nämlich ist beispielsweise Kita- und Grundschul-Sozialarbeiter Marko Burkhart im Stadtteil Horeb mit seinen zwei Grundschulen und drei Kitas zuständig und ansprechbar, so dass „Zuständigkeitsgrenzen wegfallen und sich auch die Gefahr deutlich verringert, dass Familien aus dem Radar geraten“, so Marko Burkhart.
Dieselben Ansprechpartner im selben Sozialraum für andere Schwellen
Er und sein Kollege stehen dort in regelmäßigem Kontakt mit den Erziehern bzw. Lehrer und Leitern der Einrichtungen, wo ihnen eigene Büros für Sprechstunden zur Verfügung stehen und sie bei Bedarf auch bei Elterngesprächen hinzugezogen werden können. Weil sie täglich fokussiert im Quartier unterwegs sind, kennen sie aber auch die meisten Familien und Kinder, etwa über zurückliegende Betreuungen von Geschwistern. „Der Weg hinein in die Familien zur Kommunikation auf Augenhöhe mit den Eltern und den bis zu zehnjährigen Kindern, um die es uns geht, wird dadurch kürzer und einfacher“, betont Marko Burkhart. Als wertvolle Hilfe beschreibt er die enge Kooperation mit Netzwerkpartnern wie etwa Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD), Familienzentrum Aufwind, Pakt für Pirmasens, Lern- und Spielstube am Wasserturm, Caritas und Johanniter, aber auch Stadtwerke, Ordnungsamt und Einwohnermeldeamt. „Wer Pirmasens kennt, weiß, dass die Stadtgemeinschaft hier stark engagiert und vor allem auch gut vernetzt ist“, lautet seine Einschätzung.
Absolut wichtige und wertvolle Investitionen
„Es ist unsere feste Überzeugung, dass jedes Investment im früheren Stadium, das Fehlentwicklungen verhindern kann, sich auf der Zeitachse mehrfach bezahlt macht“, erklärt Gustav Rothhaar, Leiter des Pirmasenser Amts für Jugend und Soziales. In Summe rund 1,6 Mio. Euro p. a. an Mehrkosten haben die durch das KitaZG erforderlich gewordenen Umstrukturierungen für die Stadt nach sich gezogen – sowohl für zusätzliches Personal als auch für Bau- und Erweiterungsmaßnahmen über den kompletten Kita-Bereich hinweg. Das Pirmasenser Modell, Kita- und Grundschulsozialarbeiter in Personalunion zu besetzen, sieht er als wesentlich an insbesondere, um die Übergänge vom bloßen Zu-Hause-Sein in die Kita und später von dort in die Grundschule als potenziell kritische Lebenssituationen zu begleiten. „Die Familien erhalten durchgängige Ansprechpartner und müssen ihre Situation auch nicht immer wieder aufs Neue darlegen, was letztlich auch die Problemlagen manifestieren könnte“, sagt Gustav Rothhaar. Außerdem blieben bestehende Kontakte zu den Familien ebenso in den Übergangsphasen erhalten, was sich ohnehin auch positiv auf die Entwicklung der Geschwisterkinder auswirken könne.
„Jedes einzelne positive Ergebnis kommt in erster Linie stets dem betreuten Kind zugute, wenn wir etwa seine gute Entwicklung ermöglichen und zugleich verhindern können, dass es in schlechte Bahnen gerät“, betont Gustav Rothhaar den hohen Stellenwert des Engagements. „Aber auch die Stadtgesellschaft profitiert davon, weil letztlich hinter jeder Karriere des Scheiterns – von der Schulverweigerung über vielzählige behördliche Maßnahmen bis hin zur teilstationären Unterbringung – zugleich auch immense Mittelaufwendungen stehen.“
Die Effekte mögen sich insofern (noch) nicht in Zahlen bemessen lassen, auch wenn die Verantwortlichen unisono fest von positiven Auswirkungen auf die Sozialstatistiken der nächsten Jahre ausgehen. Dennoch ist man schon heute vom Erfolg überzeugt und sieht in Pirmasens als Ergebnis des Pilotprojekts einen hohen Bedarf, das im Übrigen auch von anderen Kommunen mittlerweile verfolgte Konzept weiter auszurollen. So sind als personelle Ausbauschritte aktuell bereits drei zusätzliche Kita- und Grundschul-Sozialarbeiter-Stellen ausgeschrieben, um auch den Sozialraum Kirchberg/Ruhbank/Erlenbrunn personell zu besetzen. Bereits 2023 sollen zwei weitere folgen für den Einsatz in den Sozialräumen der restlichen Vororte. Hier wie dort wird es ebenfalls darum gehen, durchgängige Ansprechpartner fest zu etablieren für niederschwellige Angebote an Familien, um auftretenden Ängsten und Hemmschwellen ihrer Kinder entgegenzuwirken auf ihrem Weg zunächst in die Kita und später in die Grundschule.
Ergänzendes zur Stadt Pirmasens
Erste urkundliche Erwähnung fand Pirmasens um 850 als „pirminiseusna“, angelehnt an den Klostergründer Pirminius. Der als Stadtgründer geltende Landgraf Ludwig IX. errichtete im heutigen Pirmasens die Garnison für ein Grenadierregiment, es folgten 1763 die Stadtrechte. Am südwestlichen Rand des Pfälzerwalds gelegen und grenznah zu Frankreich ist das rund 42.000 Einwohner zählende, rheinland-pfälzische Pirmasens wie Rom auf sieben Hügeln erbaut. In ihrer Blütezeit galt die Stadt als Zentrum der deutschen Schuhindustrie und ist in dieser Branche heute noch wichtiger Dreh- und Angelpunkt; davon zeugen unter anderem der Sitz der Deutschen Schuhfachschule und des International Shoe Competence Centers (ISC). Zu den tragenden Wirtschaftsbereichen zählen unter anderem chemische Industrie, Kunststofffertigung, Fördertechnik-Anlagen und Maschinenbau. Pirmasens positioniert sich heute als Einkaufsstadt mit touristischem Anspruch und gut ausgestattetem Messegelände. Seit 1965 wird eine Städtepartnerschaft mit dem französischen Poissy gepflegt. Weitere Informationen unter www.pirmasens.de.