- Exponat „Schwingungswandern“ im Pirmasenser Science Center Dynamikum lässt Vibration sichtbar werden
- Physiker Ernst Chaldni entdeckte die faszinierenden Verbindungen von Schwingung und Ton
Pirmasens, 20. September 2021. „Bewegung“ lautet das Leitmotiv im Dynamikum – und das sieht man an jeder Stelle des 4.000 Quadratmeter umfassenden Science Centers in Pirmasens. Um die vielen verschiedenen Phänomene aus Naturwissenschaft, Technik, Biomechanik und Sport zu erforschen, die hinter den 160 interaktiven Experimentierstationen stecken, wird überall begeistert gedreht, gekurbelt, gestrampelt, gehüpft und mehr. Hierbei bieten die insgesamt acht Teilbereiche Der Antritt, Bewegte Masse, Der Dreh, Bewegungsmaschinen, Schnelle Natur, Menschenkräfte, Denken in Bewegung und Sport jeweils eigene thematische Schwerpunkte. Eine Besonderheit ist zudem die Dynamikum-App: Sie enthält neben 30 Wissensclips zu ausgewählten Exponaten verschiedene Forschertools und eine Anbindung an die eigenen Social-Media-Kanäle.
Zu den neueren und einzigartigen Exponaten im Dynamikum gehört das „Schwingungswandern“. Wer daran auf Entdeckungsreise gehen will, muss allerdings keine Wanderschuhe anziehen und losmarschieren, sondern lernt auf visuelle Art die faszinierende Welt von Vibration bzw. Schwingung kennen.
„Good vibrations“ auf besondere Art
Rüttel dich und schüttel dich: (Sehr) frei nach dieser Textzeile aus Grimms Märchen „Aschenputtel“ präsentiert sich das Exponat „Schwingungswandern“ auf der Ausstellungsfläche im ersten Stock des Dynamikum. Auf einer großen Fläche befinden sich hier allerlei eckige und runde Bauteile, die auf einer Seite glatt sind und auf der anderen kleine Borsten haben. Versetzt man der Fläche nun per Knopfdruck einen Vibrationsstoß, geschieht etwas Erstaunliches: Liegen die Teile mit der Borsten-Seite auf, bewegen sie sich wie von selbst einen winzigen Schritt vorwärts. Mit vielen Stößen hintereinander „fahren“ sie auf der vibrierenden Fläche regelrecht los und dies auf verschiedenen Wegen – je nachdem, wie ihre Borsten ausgerichtet sind. Zeigt der grüne Borsten-Teppich nach oben, kann man darauf sogar Dinge ablegen und diese werden mittransportiert.
Dem Exponat zugrunde liegt das physikalische Phänomen der Schwingung. Wissenschaftlich ausgedrückt wird diese erzeugt, indem man einen festen Körper von seinem Schwerpunkt entfernt und zwar mithilfe einer mechanischen Erschütterung, der Vibration. Wer beispielsweise sein Zuhause direkt an einer vielbefahrenen Straße hat, kann das mit ein bisschen Glück ausprobieren, indem er eine leere Dose oder ein bruchsicheres Glas auf die Fensterbank stellt und dann wartet, bis ein LKW vorbeikommt. Ist die Erschütterung, die der Laster beim Fahren auf die Straße auswirkt, groß genug, überträgt sie sich bis zur nahen Fensterbank und schon fangen die Dose oder das Glas wie von Zauberhand an zu hüpfen.
Ganz besonders eindrucksvoll anzuschauen sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Chladnischen Klangfiguren. Ihren Namen haben sie von Ernst Florens Friedrich Chladni (1756-1827), einem deutschen Physiker und dem Begründer der experimentellen Akustik. Für seine Klangfiguren bestreute er eine eingespannte Metallplatte mit Sand und brachte diese mithilfe eines Geigenbogens in Schwingungen – ein Versuch, den man heute beispielsweise auch mit einem Lautsprecher nachstellen kann: Dann ist zu sehen, wie sich der Sand ausrichtet und zwar abhängig von der Tonfrequenz in sandfreie Schwingungsbäuche sowie Schwingungsknotenlinien, an denen sich der Sand sammelt. Dort tanzt er zunächst regelrecht, bis er schließlich in der gebildeten Klangfigur zur Ruhe kommt. Auf diese Weise entstehen verschiedene, sehr charakteristische Linien mit faszinierenden Symmetrien.
Dass Schwingungen aber bei Weitem nicht nur Spaß machen können, zeigt das tragische Beispiel der 1940 eröffneten Tacoma-Hängebrücke im amerikanischen Bundesstaat Washington. Die damals drittlängste Hängebrücke der USA war durch ihre sehr schlanke Form mit nur zwei Fahrspuren und zwei Bürgersteigen, eine aerodynamisch ungünstige Form der Träger sowie ein niedriges Gewicht überaus windempfindlich. Im Ergebnis schwang sie schon bei leichten Böen bereits auf und ab, was zahllose Schaulustige anlockte und ihr den Spitznamen „Galopping Gertie“ – die galoppierende Gertie – einbrachte. Am 7. November ihres Eröffnungsjahrs wurden der Tacoma-Hängebrücke ihre heiklen Konstruktionsbedingungen zum Verhängnis: Aufgrund eines Sturms geriet sie in einen so verhängnisvollen Schwingungsmodus, dass sie sich buchstäblich mehr und mehr aufschaukelte, bis die Seile schließlich rissen und Teile der Fahrbahn in die Tiefe stürzten. Da am selben Tag Wissenschaftler mit Filmkameras vor Ort waren, kann man die in wilden Wellen wippende Brücke und ihren dramatischen Bruch noch heute in Videos ansehen. Glücklicherweise kamen damals keine Menschen zu Schaden; selbst ein Hund konnte noch rechtzeitig gerettet werden.
Übrigens: Erzählungen, wonach man eine Brücke zum Schwingen bringen kann, wenn eine Gruppe Menschen im Gleichschritt darüber marschiert, mögen sich lustig anhören, sind aber leider auch wahr. Brücken beginnen unter der gleichförmigen Bewegung tatsächlich an zu schwingen. Da dies sehr gefährlich werden kann, ist das Marschieren im Gleichschritt auf Brücken in Deutschland sogar per Gesetz verboten – nachzulesen in der Straßenverkehrsordnung, Paragraph 27, Absatz 6.
Ergänzend zum Dynamikum
Das Dynamikum Pirmasens ist das erste und bislang einzige Science Center in Rheinland-Pfalz. Als Mitmachmuseum lädt es seine Besucher aus allen Altersstufen dazu ein, auf 4.000 Quadratmetern die verschiedensten Phänomene aus Naturwissenschaft und Technik sowie Biomechanik und Sport an interaktiven Experimentierstationen selbst zu erforschen und so ganz spielerisch ihren Wissensdurst zu stillen.
Seit Mai 2018 bietet das Dynamikum nach einer vierwöchigen Umbauphase eine komplett überarbeitete Ausstellung mit 12 zusätzlichen neuen Exponaten, darunter die Motion Base, die Schwingungsliege und der Zeitsprung. Eine Besonderheit stellt die Dynamikum-App dar, mit der eine in ihrer Form einzigartige Vertiefungsebene geschaffen wurde: Neben 30 Wissensclips zu ausgewählten Exponaten enthält diese Messeinrichtungen verschiedenster Art und bietet die Möglichkeit, eigene Videos zu erstellen und in Social-Media-Kanälen zu posten.
Gegenüber vergleichbaren Einrichtungen grenzt sich das Dynamikum durch den durchgängigen Leitgedanken der Bewegung in insgesamt acht Bereichen ab; das Angebot richtet sich sowohl an Kinder und Jugendliche, die in idealer Ergänzung des Schulunterrichts einen neuen, spektakulären Zugang zur Welt der Naturwissenschaften, Technik und Biomechanik erhalten, als auch an Erwachsene. In regelmäßigen Abständen finden immer wieder Sonderausstellungen statt, hinzu kommen Aktionen wie beispielsweise Ferien- und Festtagsprogramme. Daneben eignet sich das Dynamikum auch zur Ausrichtung von Kindergeburtstagen sowie Firmenveranstaltungen und verfügt über Räume, die für Vorträge und unterrichtsbegleitende Schulstunden genutzt werden können. Im an das Science Center angrenzenden Landschaftspark Strecktal befinden sich außerdem einige Außenexponate zum Thema „Aufwind“. Diese können unabhängig vom Dynamikum-Besuch genutzt werden genauso wie der im Park eingerichtete DiscGolf-Parcours. Zu den Förderern des Dynamikums gehört u. a. der Bezirksverband Pfalz mit regelmäßigen Mittelzuflüssen. Weitere Informationen unter https://dynamikum.de.
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